Als autorisierter Hogan-Vertriebspartner in Deutschland hat die RELEVANT Managementberatung GmbH in Zusammenarbeit mit Hogan Assessments Daten von mehr als 1.400 deutschen Führungskräften im Rahmen des Global Executive Leader Benchmarks erhoben. Das Verständnis der Persönlichkeitstrends deutscher Führungskräfte ist von entscheidender Bedeutung, da Führungskräfte maßgeblich den Erfolg ihrer Organisationen bestimmen. Wenn wir untersuchen, was Führungskräfte motiviert, wie sie erfolgreich sind und wie sie scheitern können, erhalten wir wertvolle Einblicke in die deutsche Unternehmenskultur.
Was wollen Führungskräfte in Deutschland?
Das Motives, Values, Preferences Inventory (MVPI) von Hogan misst die wichtigsten Ziele, Werte, Motivationen und Interessen, die letztlich bestimmen, was Menschen wollen und anstreben.
Verbundenheit
Der stärkste Motivator aus dem MVPI für deutsche Führungskräfte ist Verbundenheit. Im Vergleich zur weltweiten Benchmark erreichen deutsche Führungskräfte auf dieser Skala sechs Prozentpunkte mehr. Führungskräfte mit einem hohen Verbundenheitswert arbeiten gerne mit anderen zusammen und schätzen soziale Interaktion. Sie legen großen Wert auf den Gruppenzusammenhalt und schaffen für ihre Teams Gelegenheiten zur Interaktion und Vernetzung. Auf Unternehmensebene fördern diese Führungskräfte in der Regel eine Kultur der Zusammenarbeit, Teamarbeit und Zugehörigkeit und gelten häufig als aufgeschlossen, zugänglich und sozial einfühlsam.
Unser Geschäftsführer Dr. René Kusch erklärt, wie hilfreich diese hohe Verbundenheit deutscher Führungskräfte ihnen letztlich bei der Arbeit ist: „Viele deutsche Führungskräfte setzen sich für Inklusion ein und sind bereit, mit jedem auszukommen“. Vor der Pandemie reisten deutsche Manager:innen in multinationalen Unternehmen regelmäßig in andere Länder. Die soziale Interaktion - persönliche Treffen, ein Bier nach der Arbeit oder das persönliche Kennenlernen international verstreuter Teams - förderte den Aufbau von Beziehungen, die für eine erfolgreiche Kommunikation über Ländergrenzen hinweg erforderlich sind.
Sicherheitsstreben
In der globalen Executive Benchmark bildet die MVPI-Skala Sicherheitsstreben dagegen den niedrigsten Wert aller Führungskräfte weltweit und ist bei deutschen Führungskräften zudem besonders gering ausgeprägt - 12 Prozentpunkte unter dem weltweiten Durchschnitt. Führungskräfte, die auf dieser Skala einen niedrigen Wert haben, schaffen oft ein organisationales Umfeld, das Risiken und Unsicherheit toleriert. Diese Führungskräfte sind möglicherweise offen für Experimente und Veränderungen, machen sich aber gleichzeitig weniger Sorgen um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes oder die Stabilität ihrer Pläne und Entscheidungen. Deutsche Führungskräfte mit einem niedrigen Wert für Sicherheitsstreben bevorzugen Strukturen, in denen Risikobereitschaft, Innovation und Initiative belohnt werden und schaffen eher eine solche Art von Organisations- und Teamkultur.
Wie bekommen Führungskräfte in Deutschland, was sie wollen?
Das Hogan Personality Inventory (HPI) misst, wie wir uns anderen gegenüber verhalten, wenn wir in Bestform sind. Es bietet wertvolle Einblicke in die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, führen und erfolgreich sind.
Ambition
Der höchste HPI-Wert deutscher Führungskräfte ist Ambition, der 11 Punkte über dem globalen Benchmark liegt. Führungskräfte mit hoher Ambition sind engagiert, ehrgeizig und ergebnisorientiert. Sie übernehmen proaktiv Verantwortung, treiben ihre Teams zur Erreichung ihrer Ziele an und investieren viel in ihre berufliche Weiterentwicklung. Solche Führungskräfte schaffen wettbewerbsfähige und proaktive Teams, können aber manchmal übermäßig kompetitiv wirken oder wenig offen gegenüber Feedback von außen sein.
Die hohe Ambition deutscher Führungskräfte treibt sie dazu an, Ziele direkt zu erreichen. Zusätzlich notwendige Anstrengungen werden als Herausforderung angenommen. Der Ehrgeiz richtet sich aber auch auf den Erfolg des Teams, was den hohen Verbundenheits-Wert im MVPI noch unterstreicht.
Besonnenheit
Umgekehrt erreichen deutsche Führungskräfte auf der HPI-Skala Besonnenheit, die Gewissenhaftigkeit und regelkonformes Verhalten misst, den niedrigsten Wert mit 12 Prozentpunkten unter dem weltweiten Benchmark. Führungskräfte mit einem niedrigen Wert auf dieser Skala können gut mit Ambiguität umgehen und arbeiten flexibel innerhalb von Organisationsstrukturen. Sie sind aufgeschlossen, legen Regeln und Vorschriften unter Umständen jedoch flexibel aus.
Deutsche Unternehmen sind bekannt dafür, dass sie prozess- und detailorientiert sind – möglicherweise aufgrund des starken Einflusses von Technik und Prozessverbesserung. In größeren Organisationen sind Systeme und Prozesse somit oftmals bereits vorhanden, so dass Führungskräfte diese Richtlinien, Verfahren und Normen nicht erst schaffen müssen. Und daher müssen aufstrebende Führungskräfte nicht unbedingt ein hohes Maß an Besonnenheit (oder sogar Sicherheit) aufweisen, denn diese Organisationsstrukturen sind in vielen Fällen bereits gut etabliert. Wie wir aus den Daten ableiten können, werden deutsche Führungskräfte, die bereit sind, etablierte Strukturen zu verändern oder in Frage zu stellen, sogar belohnt oder befördert. Sie sind eher zielorientiert und können flexibel beim Erreichen ihrer persönlichen und organisationalen Ziele sein.
Welche Eigenschaften behindern Führungskräften in Deutschland?
Der Hogan Development Survey (HDS) misst überstrapazierte Stärken, die in Zeiten erhöhten Drucks, Stress oder auch Unterforderung auftreten können. Wenn diese Qualitäten nicht gemanagt werden, können sie dem Ansehen und den Beziehungen einer Führungskraft schaden und ihre Karriere und ihren Erfolg gefährden.
Draufgängerisch
Deutsche Führungskräfte erzielen die höchsten HDS-Werte auf der Skala Draufgängerisch und liegen damit acht Prozentpunkte über dem globalen Durchschnitt. Insgesamt zeigt sich, dass Führungskräfte weltweit tendenziell höhere Werte auf dieser Skala erzielen. Hohe Werte auf dieser Skala gehen mit einem Verhalten einher, das als charmant und wagemutig beschrieben werden kann, aber auch als impulsiv und manipulativ. Draufgängerische Führungskräfte testen Grenzen aus und können so das ihnen oder ihrer Organisation entgegengebrachte Vertrauen untergraben.
Manchmal neigen Führungskräfte in Deutschland dazu, die eher starre Prozess- und Detailorientierung ihrer Organisationen zu überkompensieren und ihr entgegenzuwirken. Ein Beispiel aus der Coaching-Praxis unseres Geschäftsführers Dr. René Kusch veranschaulicht diesen Punkt: Eine Führungskraft aus der Automobilindustrie wurde mit der Aufgabe betraut, die Produktivität eines schwächeren Produktionsstandorts zu steigern. Sie erwog zunächst, das gesamte Werk abzureißen und neu aufzubauen, anstatt es zu ähnlichen Kosten umzustrukturieren. Obwohl die persönliche Neigung dieser Führungskraft eher zu radikaler Veränderung und Umbruch tendierte, entschied sie sich letztlich doch für die Beibehaltung und Renovierung des Werks – insbesondere aufgrund möglicher negativer Auswirkungen auf die Belegschaft. Ihre für deutsche Führungskräfte typisch hohen MVPI-Werte in Verbundenheit wirkten hier wie eine Bremse gegenüber abrupten Veränderungen.
Trotz hoher Werte auf der Skala Draufgängerisch zeigen sich deutsche Führungskräfte in der Regel lernbereit und offen für Feedback. Sie vermeiden die typischen negativen Begleiterscheinungen dieser Ausprägung – wie überzogenes Anspruchsdenken, Selbstüberschätzung oder aggressives Verhalten. Diese Kombination ermöglicht ihnen, oft besonders effektiv zu agieren.
Dienstbeflissen
Führungskräfte aller Länder tendieren zu geringeren Werten auf der HDS-Skala Dienstbeflissen. Deutsche Führungskräfte schneiden hier mit acht Prozentpunkten unter dem globalen Mittelwert besonders niedrig ab – ein Ergebnis, das auf eine ausgeprägte Unabhängigkeit und die Bereitschaft hinweist, Autorität infrage zu stellen. Sie kommen gut mit Ambiguität zurecht, treffen eigenständige Entscheidungen und fördern dies häufig auch innerhalb ihrer Teams. Gerade im internationalen Kontext kann es vorkommen, dass deutsche Führungskräfte erwarten, dass ihre Ideen aktiv hinterfragt werden – so wie sie es selbst auch tun würden. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es wichtig, sich bewusst Zeit zu nehmen, um aktiv die Perspektiven und Rückmeldungen anderer einzuholen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie von Kolleg:innen aus anderen Kulturen als wenig zugänglich, kompromisslos oder eigensinnig wahrgenommen werden.
Das geringe Maß an Dienstbeflissenseit deutscher Führungskräfte lässt sich auch im historischen Kontext verstehen. Nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts – insbesondere mit blindem Gehorsam gegenüber Autoritäten – hat sich in Deutschland eine Kultur entwickelt, die eigenständiges Denken und kritisches Hinterfragen betont. In Kombination mit einer starken Verbundenheit (siehe oben) äußern Führungskräfte häufig offenen Widerspruch – jedoch nicht aus Respektlosigkeit, sondern aus einem tiefen Verantwortungsgefühl. Wie Dr. Kusch erklärt: „Direktes Hinterfragen kann ein Ausdruck von Engagement und dem Wunsch zur Zusammenarbeit sein.“
Was können wir aus den Persönlichkeiten deutscher Führungskräfte lernen?
Ein Vergleich der HPI-, HDS- und MVPI-Werte deutscher Führungskräfte mit globalen Benchmarks zeichnet ein differenziertes Bild ihres Führungsstils: Sie legen großen Wert auf soziale Beziehungen, Risikobereitschaft und Leistung. Ihre hohe Ambition treibt sie an, Ziele energisch zu verfolgen, während geringe Werte bei Besonnenheit ihnen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verleiht. Hohe Ausprägungen auf der Skala Draufgängerisch deuten darauf hin, dass ihr Charme in bestimmten Situationen als manipulativ wahrgenommen werden könnte. Niedrige Werte bei Dienstbeflissen unterstreichen ihre Entschlossenheit, unabhängig zu handeln und etablierte Strukturen infrage zu stellen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Deutsche Führungskräfte sind stark darin, Ziele zu erreichen (hohe Ambition) und Veränderungen voranzutreiben (niedrige Werte bei Besonnenheit und Sicherheitsstreben). Sie scheuen weder Risiken (Draufgängerisch, niedriges Sicherheitsstreben) noch Konfrontationen (niedrige Werte bei Dienstbeflissen). Ihr ausgeprägtes Bedürfnis nach Verbundenheit gleicht häufig potenziell negative Effekte konfrontativer Verhaltensweisen aus. In der Kombination ergibt sich ein Führungsstil, der von hoher Motivation, Zielorientierung und Risikofreude geprägt ist – gepaart mit einer großen Toleranz gegenüber Risiken. Diese Führungspersönlichkeiten fördern soziale Bindungen und schaffen ein Umfeld, das Innovation, kritisches Denken und teamorientiertes Arbeiten begünstigt. Gleichzeitig birgt dieser Stil Risiken: Die Bereitschaft, Regeln zu hinterfragen, Grenzen auszuloten und andere herauszufordern, kann – wenn unreflektiert eingesetzt – das Vertrauen von Teammitgliedern untergraben. Gerade weil Zugehörigkeit für sie wichtig ist, sollten deutsche Führungskräfte aktiv Feedback einholen, klare Grenzen für risikobehaftetes Verhalten definieren und deutlich machen, welche Regeln nicht zur Disposition stehen.
Bereit für den Wandel
Diese Analyse der Persönlichkeiten von über 1.400 deutschen Führungskräften liefert wichtige Erkenntnisse für die deutsche Wirtschaft – vor allem in einer Zeit, in der wirtschaftlicher Wandel dringend notwendig ist. Wie unser Geschäftsführer Dr. René Kusch betont, sind viele deutsche Führungskräfte grundsätzlich bereit für Transformation: Ihre Persönlichkeitsprofile bringen vieles mit, was Veränderung begünstigt. Wenn Wandel dennoch ausbleibt, liegt das häufig an zwei Faktoren: Erstens kann zu viel Veränderung auf einmal Widerstand in Teams auslösen – etwa durch Unsicherheit oder Störungen eingespielter Abläufe. Zweitens wirken äußere Rahmenbedingungen hemmend – etwa starre Prozesse, gesetzliche Vorgaben oder unternehmensinterne Strukturen, die Flexibilität erschweren.
„Wenn es Führungskräften gelingt, ihren Mitarbeitenden und ihrem Umfeld mehr psychologische Sicherheit zu bieten und gleichzeitig überholte Vorschriften zu hinterfragen“, so Kusch, „dann werden nicht nur sie selbst, sondern ganze Organisationen in der Zukunft erfolgreich sein.“
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel, der ursprünglich im Hogan Assessments Blog veröffentlicht wurde.